Fördern Social Media die Spaltung unserer Gesellschaft? Oder waren wir uns eh schon immer uneins? Am Beispiel einer Bekannten möchte ich hier untersuchen, was unsere Meinungsbildung in den letzten Jahren so verstörend radikalisiert hat.
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Liebe A.,
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„Corona-Leugnerin“, das ist politisch nicht ganz korrekt – immerhin leugnest ja nicht, dass es eine Krankheit namens Covid-19 gibt und dass sie für manche Menschen gefährlich ist. Und doch finde ich deine Position bei näherem Hinsehen ziemlich radikal. Wie komme ich dazu?
Bei Facebook bin ich neulich über dich gestolpert. Eine alte Bekannte, die sich immer für Vernunft stark gemacht hat, mit der ich interessante und engagierte Gespräche geführt habe. Und nun postest du, in täglicher Abfolge und offenbar ziemlich aufgebracht, „kritische“ Beiträge zum Corona-Geschehen. Du möchtest unbedingt ohne Maske demonstrieren, der Freiheit wegen. Denn …
„Eine Pandemie, die Menschen in diesem Jahr vermehrt erkranken lässt, findet schlicht nicht statt. … Hinter dem Hype stecken handfeste Interessen, die es aufzudecken gilt.”
Facebook-Eintrag von A., kopiert aus Rubikon: Die fiktive Pandemie
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Du bist dir in deinem Urteil also ziemlich sicher,
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dass es sich bei dem Ganzen um eine Hysterie handele, dass der Mund-Nasen-Schutz ungesund sei und dass auch große, dichte Menschenansammlungen niemanden gefährdeten. Und das Verbot einer Großdemo mit angekündigter Missachtung der Hygieneregeln ist natürlich ein Angriff auf unsere Demokratie. Ich bin mit diesem Verbot – trotz angekündigter Nazi-Beteiligung – nicht glücklich, aber mal ehrlich: Ihr habt es mit eurem Verhalten provoziert.
Nunja, du warst schon immer – mir eigentlich sehr sympathisch – gegen das Autoritäre eingestellt. Ohne direkt eine Verschwörung zu unterstellen, bezeichnest du nun die Corona-Krise als großes Milgram-Experiment. Als ginge es jemandem darum, unseren Gehorsam zu testen. Dein Ernst? Wer bitte soll das sein?
Wenn man tiefer geht, geht es ziemlich schnell um komplexe Zusammenhänge, um Feinheiten von Statistik und Virologie. Darüber haben wir alle in letzter Zeit viel gelernt, und doch können wir davon nur Versatzstücke wahrnehmen. Du weißt, dass wir als Laien nicht alles wissen können; dass es manchmal mehr darauf ankommt, auf welche Expertise wir vertrauen. Als aufgeklärter Mensch kennst du die Mechanismen von Filterblasen und Bestätigungs-Bias längst. Und doch kommen die Postings mit der Inbrunst des Rufers in der Wüste, als ginge es hier darum, ein exklusives, widerständiges Wissen zu verbreiten.
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Worüber ich mich wundere, ist deine unerschütterliche Überzeugung.
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Auch ich habe in manchen Corona-Maßnahmen Härten sehen können, die ich für übertrieben halte. Dass man Verwandte nicht zu Kranken oder Sterbenden lässt, ist wirklich grausam. Covid-19 ist ja zum Glück nicht Ebola, man kann sich doch schützen. Andererseits hatte es in Italien über ein Dutzend Geistliche gegeben, die zur letzten Ölung geeilt waren, sich dabei infiziert hatten und gestorben waren.
Anfangs wusste man einfach noch nicht genug und hat deshalb zur Sicherheit erstmal ziemlich rigorose Maßnahmen ergriffen. Das war nicht unbedingt falsch. Es beruhte auf einem weltweiten zivilisatorischen Konsens, der eigentlich nur von wenigen, meist ultrarechten Populisten in Frage gestellt wurde.
Andere haben sich früh festgelegt, in der Sache eine Hysterie zu sehen und für einen Moment konnte man das ja auch glauben. Worüber ich mich wundere, ist deine unerschütterliche Überzeugung. Eine einmal gefasste Meinung nicht mehr loszulassen ist ein Kardinalfehler für aufgeklärte Menschen. Inzwischen liegen doch die Zahlen vor. Sie sind in Deutschland vergleichsweise erfreulich – zweifellos auch wegen der frühzeitig ergriffenen Maßnahmen, im Vergleich zu anderen Nationen. Sie funktionieren auch jetzt noch, jeden Tag. Es gibt Studien über Studien, warum Masken eben doch sinnvoll sind, wo Ansteckungen am gefährlichsten sind usw. usf. Und es gibt eine ständige regionale Überprüfung und Feintuning der Maßnahmen.
Ja, es gab Fehler in der Kommunikation, die einen an der Glaubwürdigkeit der Bundesregierung und des Gesundheitsministers bisweilen zweifeln ließen. Wer da sagte, „Na-na, das klingt für mich jetzt aber seltsam.“ – okay, wir lernen alle dazu und auch Politiker*innen sollte man nicht alles glauben. Und ja, es ist kompliziert und es gibt viele Stimmen zu allem. Aber inzwischen haben sich einfach viele Dinge bestätigt, die man anfangs nur vermutet hat. Etwa, dass 86 % der Covid-19-Diagnostizierten Toten nicht MIT sondern AN eben dieser Krankheit starben. Dass es gravierende Folgeschäden gibt. Und das eine weitgehend ungebremste Pandemie absolut fatal wäre.
Unklar ist dagegen noch, ob es Neuansteckungen bei Genesenen geben kann. Zu all diesen Themen gibt es seriöse Forschung und den üblichen Prozess wissenschaftlicher Erkenntnisfindung. Doch du hast beschlossen, dich an Leuten zu orientieren, die seit März 2020 geradezu unbelehrbar an ihrer Meinung festhalten, sich wissenschaftlich auf heikles bis unmögliches Terrain begeben und sich mit Vertretern wahnwitziger Verschwörungs-Mythen gemein machen.
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Das Factchecking bleibt auf der Strecke?
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Christian Drosten, Alexander Kekulé und sogar (der mir äußerst unsympathische) Jens Spahn sind Leute, die Fehler einräumen, die sich täglich informieren und nicht immer nur die Bestätigung einer halsstarrigen Sondermeinung suchen. Wer sich auf glaubwürdigen Kanälen informiert, kann darauf vertrauen, zu 85 % korrekt informiert zu werden und nicht nur mit 10 % „wahrem Kern“ in ansonsten freischwebend fabulierten Sensationen vorlieb nehmen zu müssen. Und wer sich richtig die Kante geben will, kann bei Mimikama oder Correctiv.org täglich Widerlegungen der haarsträubendsten Corona-Hoaxes aus der Schwurbelszene finden. Beim Volksverpetzer mag das schnell mal polemisch klingen, aber schon Kostproben genügen, um zu zeigen warum: Die schiere Menge der kursierenden und oft leicht zu widerlegenden Desinformation ist verstörend.
Die weitgehend korrekten Informationen sagen uns: Ein gutes Immunsystem, so wichtig es ist, hilft uns bei diesem Virus nicht weiter. Die Pharmaindustrie verhält sich oft genug böse, ist aber in diesem Fall auch ein enormer Hoffnungsträger. „Die Eliten“ sind keine konsistente Gruppe, sondern Ausdruck eines ständigen Ringens um Macht und Einfluss, ob mit oder ohne Corona. Und unsere Disziplin und Toleranz gegenüber den Einschränkungen – auch wenn wir sie im Einzelfall nicht immer einsehen – sind ein Ausdruck zivilisierten Miteinanders, das auf Schwächere Rücksicht nimmt.
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Die Pose der Freiheitlichkeit
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„Unsere Aufmerksamkeit hat die Neigung, das Gute zu vernachlässigen und sich um Katastrophen zu kümmern“, schreibt Bas Kast in einem seiner beliebten Bücher. Die Evolution hat uns nicht darauf geprägt, wahrzunehmen, wie gut es uns geht, sondern Alarm zu schlagen, sobald etwas nicht stimmt. Wer noch nie in Ägypten, Brasilien oder den Philippnen war, der könnte glauben, Deutschland sei ein sehr unsicheres Land und das Leben hier sei überaus prekär. In der Kakophonie der Sozialen Netzwerke steigert sich diese German Angst ins schwer Erträgliche bis vollends Absurde. Für manche mag der gemeinschaftliche Barfußtanz die Befreiung daraus sein. In meinem Bekanntenkreis gibt es vier bis fünf eher esoterische Personen, bei denen ich diese nur mit Mühe verständliche Trotzhaltung wahrnehme. Da hinein mischen sich aber auch hässlichere Töne.
Angstporno ist ein neues Wort, das ich kürzlich lernte – und es passt: Der gefühlte Weltuntergang ist für viele irgendwie geil. Es geht ihnen nicht um Lösungen, schon gar nicht um Veränderung.
Es geht ihnen um die Rechtfertigung dafür, sich nicht an die Regeln halten zu müssen. „Es ist Krieg“ lautet diese Sehnsucht, nicht nur von Rechten, sondern von allen, die aus Mangel an geistigem Horizont meinen, sie hätten wenig zu verlieren. Endlich Orientierung, endlich Klarheit, was das Gute ist und was das abgrundtief Böse. Ihre Freiheitsliebe ist eine selbstverliebte Pose. Ja, natürlich ist es angenehmer, frei zu atmen als durch eine Papiermaske. Aber dazu genügt es vor die Tür zu gehen, was in Deutschland nie verboten war. Dazu muss ich mich nicht mit tausenden anderen zusammenballen, während überall sonst im Lande Veranstaltungen abgesagt werden. Und ich muss nicht den Zustand der wirtschaftlichen Krise durch Corona-Schließungen herbeiführen, den ich selbst lauthals beklage.
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Renitenz als Modus vivendi
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Beziehungsforscher haben festgestellt, dass es uns Menschen in einem Streit nur sehr selten gelingt, wirkliches Verständnis oder auch nur Interesse für die Position des anderen aufzubringen. Viel wichtiger ist es uns, Angriffe kategorisch abzuwenden. Wir sind fast ausschließlich mit der Verteidigung unseres Selbstbildes beschäftigt. Glücklichere Beziehungen führen allerdings die Wenigen, die es schaffen, das Gegenüber ernst zu nehmen und sich selbst in Frage zu stellen.
Ignorante Positionen sind in sozialen Netzwerken an der Tagesordnung. Dabei kann man dort sehr wohl der eigenen Filterblase entkommen und einmal neugierig in „gegnerische“ Positionen hineinschnuppern. Ich habe das in letzter Zeit etwas bewusster praktiziert – und mehr als einmal bin ich stutzig geworden. Warum wird von „steigenden Fallzahlen“ gesprochen, ohne zu erwähnen, dass die Zahl der getesteten Personen ebenfalls steigt? Wie ansteckend sind Kinder wirklich und sind die Einschränkungen des Schulunterrichts verhältnismäßig? Wie geht es der schwedischen Wirtschaft, welche Einschränkungen wurden dort wirklich praktiziert zu welcher Covid-Todesrate / 100.000 Einwohner hat das geführt? Wird zu viel und zu schnell intubiert oder wären andere Beatmungstechniken besser?
Wenn ich Zeit hatte, habe ich solche Themen mal nachgelesen – und festgestellt, dass ich doch nur an der Oberfläche kratze. Eine großartiger doppelter Boden hat sich mir dabei nicht erschlossen. Es verläuft alles so, wie man es bei einer weltweiten Pandemie mit einer unterm Strich „relativ“ schlimmen Krankheit erwarten dürfte – Proteste und Netzgeschwurbel inklusive. Und so verhalte ich mich einfach mal so, wie es allgemein empfohlen wird. Bin ich deshalb weniger freiheitsliebend? Gehe ich als Schlafschaf einer unnötigen Hysterie oder perfiden Propaganda auf den Leim? Wohl kaum.
Wir haben es alle nicht einfach zur Zeit, wir drehen alle etwas am Rad. Und es gibt Wichtigeres auf der Welt zu tun. Lass uns einfach versuchen, gut und diszipliniert durch diese Phase zu kommen. Auf die nächste Pandemie in 5 oder 10 Jahren besser vorbereitet zu sein. Unsere Demokratie zu schützen, wo es Not tut. Denen, die auf ihr Ende lauern eine klare Absage erteilen. Mit freiem Meinungsaustausch, Augenmaß und – möglichst – vorbildlichem Verhalten.
Es grüßt dich herzlich
P.
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Foto: Hamilton Henry Dobbin / California State Library handout/EPA / Wikimedia Commons
People waiting, wearing masks in San Francisco during the Spanish Flu,
1. Oktober 1918
Hallo, bin einem link gefolgt und wollte interessehalber sehen, was in einem solchen Brief wohl geschrieben wird. Erstmal muss ich ein Kompliment machen, denn sprachlich wurde sehr schön verfasst. Wohlformuliert und sortiert werden die Gedanken abgehandelt. Doch inhaltlich tun sich leider Abgründe auf. Ich wiederhole eine Formulierung: es wird nurmehr an der Oberfläche gekratzt. Das ist sehr schade, denn das intellektuelle Potenzial wird allemal vorhanden sein, um einigen der aufgegriffenen Fragen eine Berechtigung in der Weise zukommen zu lassen, als dies Verständnis für die intellektuelle Ohnmacht der Briefempfängerin erkennen lassen könnte. Dies zeigt mir gleichzeitig den Konfliktpunkt der gegenüberstehenden Lager auf. Es geht viel zu wenig um Inhalte (die konkrete, bestmögliche Erkenntnis) und viel zu viel um Positionen (die Lösung der „allgemeinen Empfehlung“ wird schon toll sein, deshalb sollten wir sie „diszipliniert“ befolgen). Nein, es muss gestritten werden um jede einzelne dieser allgemeinen Empfehlungen, denn sie sind keinesfalls alle so einleuchtend, dass sie alle einfach (oder eben „diszipliniert“) hingenommen werden könnten. Das ist zwar mühsam, aber notwendiger Teil einer fruchtbaren gedanklichen Auseinandersetzung. Wird darauf verzichtet, aus welchen Motiven auch immer (z.B.: „dazu ist keine Zeit, wir brauchen Entscheidungen jetzt“ oder „wie sollen wir das denn verstehen, das können nur Experten“), dann wird es kein „lass uns versuchen“ geben, denn es soll Menschen geben, welche die Fähigkeit schlussfolgernden Denkens bei sich einsetzen und nicht irgendwelchen „Experten“ (für logisches Denken?) überlassen wollen und sich deswegen den Anderen, die nur wiederkäuen, nicht anschließen werden. Zuletzt bedeutet der Verzicht auf eine solche gedankliche Auseinandersetzung auch, dass es zu keiner Klärung der offenen Fragen kommt (offen sind die Fragen schon alleine deswegen, weil sie aufgeworfen werden, nicht trivial zu beantworten sind und infolgedessen die Antwort nicht jedem klar wird, wenn es überhaupt eine ausreichende Antwort gibt). Dann bleibt nur die „allgemeine Empfehlung“ übrig, der man „diszipliniert“ folgt, weil man ihr g l a u b t . Schon ist man im religiösen Bereich. Die Anderen „leugnen“ den eigenen Glauben. Und jetzt? Religionskrieg. Nein, es führt kein Weg vorbei an einer fundierten inhaltlichen Auseinandersetzung. Wo und wie die zu leisten wäre, weiß ich nicht. In den Medien, soviel ist klar, Jedenfalls nicht. Dort herrscht kommunikatives Totalversagen (aufgrund intellektueller Umnachtung, aber das ist nur meine Meinung). Bleiben nur die nicht-öffentlichen Zirkel. Doch bis aus denen Ergebnisse dringen werden, wird die derzeitige Situation um Corona vorüber sein. Die Gräben zwischen den Lagern werden jedoch fortbestehen. Trostlos.
Danke für diesen Kommentar, der die Frage nach der informierten Demokratie auf den Punkt bringt.
Wenn es um einfache Fragen geht, funktioniert diese ja noch, solange gegenseitiges Vertrauen und Wohlwollen im Spiel ist. Im anarchistisch-libertären Freistaat Christiania kann man sehen, wie anstrengend das für den einzelnen Menschen schon ist, wenn es nur um so kommunale Dinge wie Baurecht oder Drogenhandel geht. Bei Themen wie Tempolimit, Atomkraft, Freihandel, Klimawandel wird es ungleich komplexer und alle diese Themen sind (außer für die jeweiligen Spezialisten) ohne unlautere Verkürzung nicht mal im Ansatz zu verstehen. Hinzu kommt, dass die Interessen der Redner beiweitem nicht immer transparent gemacht werden.
Richtig, eine gute Presse und Politik wäre da Gold wert (von Umnachtung will ich da nicht sprechen). Und so bilden sich „Ich glaube“-Lager (nicht unbedingt Glaubenslager) rund um mehr oder weniger gut informierte Fürsprecher (Wodarg eben oder Hildmann, Drosten oder Boulevard-Reporter). Das hat bei aufgeklärten Menschen weniger mit Religion zu tun, als mit Heuristik. Ich weiß wie Presse funktioniert, oder Wissenschaft, oder Lobbyismus, oder Meinungsfindung in der Politik, oder Wikipedia oder Verschwörungsmythen oder Verbraucherschutz. Daraus ziehe ich Schlüsse, welchen dieser Prozesse ich wie zu lesen habe.
Ich MUSS vertrauen, aber ich MUSS auch wachsam sein und schauen, ob neue Informationen mich ggf. eines besseren belehren. AB UND ZU kann ich in die Tiefe eintauchen und mich spezialisieren. Ich habe mich z. B. auf digitale Themen konzentriert und kann Auskunft geben zur Corona-Warn-App. Was da für ein Unsinn geredet wurde, Halleluja. Und hier waren die Interessen und Akteure einmal gut überschaubar. Ach ja: Den Quellcode habe ich natürlich nicht studiert, aber ich verlasse mich auf den Prozess, dass es Hacker gibt, die Schwachstellen finden können und dass dies dann allgemein über die Fachpresse und in Foren verbreitet und diskutiert wird. Dazu muss es aber erstmal dazu kommen, dass der Quellcode offen ist (Open Source), was hier mit Erfolg erkämpft wurde.
Die INTEGRITÄT DIESER PROZESSE ist das entscheidende und die Frage, wem ich hier subjektiv meine, ein Stück weit Vertrauen zu können. Weil ich die Mentalitäten und Antriebe ein Stück weit einschätzen kann. Wenn etwas meiner Intuition widerspricht, werde ich aufmerksam und frage nach. (Z.B. bei der Frage von Keimgrößen und Papiermasken – wie kann es sein, dass diese nicht schützen sollen, wenn sie im OP-Saal oder in Japanischen U-Bahnen seit Jahrzehnten klaglos getragen werden? Darüber kann man jetzt stundenlang nachlesen, aber die Information, dass die kleinen Keime auf wesentlich größeren Aerosoltröpfchen reisen hat mir geholfen, das mit meine Intuition wieder in Einklang zu bringen.)
Diese Diskussion wird uns jetzt lange begleiten, denn wir leben in einer komplexen, medial vernetzten und demokratischen Gesellschaft. Wo die einen schon „Öko-Diktatur“ rufen (und sich aus einer konservativen Warte gar nicht klar machen, was heute schon alles völlig selbstverständlich verboten ist, weil sie es nicht mal merken), da rufen die anderen „Wir haben keine Zeit, wir müssen handeln“. Ist der Regenwald bald weg? Was für eine Verkürzung! Ist er ökologisch wichtig? Gehört er der ganzen Welt? Wird er überhaupt gerodet? Sind wir selbst moralisch Schuld, wenn wir Nutella essen oder Ikea-Kerzen kaufen? Hier kann man oft nur groben Leitlinien folgen und schauen, welchen Prozessen und Akteuren man vertraut. Ich habe mich mal mit jemand unterhalten, der an einem Textil-Label gearbeitet hat. Das ist sehr sehr kompliziertes Thema, aber am Ende stellt sich diese Frage: Welches T-Shirt kaufe ich? Oder gibt es eine Möglichkeit, dass Kinderarbeit strukturell komplett verhindert wird, z.B. mit einem sehr komplizierten Lieferkettengesetz?
Über dieses Thema der „demokratischen Heuristik“ würde ich sehr gern weiter nachdenken. Danke!